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Infektiologe erklärt Impfstoff

Infektiologe erklärt Impfstoff

„Das Wort Gen macht Angst“

Menschen in der Region haben Sorge, sich den genbasierten Impfstoff spritzen zu lassen. Zu vieles sei ungewiss und wenig erforscht. Ein Infektiologe erklärt die Hintergründe

Dana Mester

Köln. Nach dem Biontech-Erfolg ist die Hoffnung auf den Corona-Impfstoff groß. Jedoch nicht unbedingt die Bereitschaft, sich impfen zu lassen: Jedenfalls geht das aus einer Online-Umfrage unserer Zeitung hervor. Die Sorgen der Leser: Der Impfstoff sei zu wenig getestet worden und die genbasierte Methode richte womöglich Schäden an. Ob das so ist, beantwortet der Mediziner Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln.

Bis ein Impfstoff auf den Markt gebracht wird, vergehen meist Jahre. Biontech wird den Antrag nach nur wenigen Monaten stellen. Geht das auf Kosten der Sicherheit?

Gerd Fätkenheuer : Nein, in dieser Biontech-Studie sind jetzt schon über 40.000 Probanden geimpft worden, das sind sehr viele – auch im Vergleich zu anderen Studien. Man hat dafür genau dieselben Dinge gemacht wie bei jeder anderen Impfstudie auch. Der riesige Unterschied ist der, dass man dafür sonst zwei Jahre gebraucht und es jetzt in wenigen Monaten geschafft hat. Von den Sicherheitsbedingungen gibt es keinen Unterschied.

Wie ist das möglich?

Das ist natürlich auch eine Frage des Geldes, so eine Studie ist sehr teuer. Dann spielt die Akzeptanz in der Bevölkerung eine Rolle, und die ist anscheinend dieses Mal sehr groß gewesen. Denn man muss ja überhaupt erst Probanden finden, die bereit sind, mitzumachen. Das sind gesunde Menschen, die sich dazu bereiterklären. Dass das alles möglich gemacht wurde, liegt natürlich an der Pandemie, an der Angst und an der Sorge vor dem Virus.

Einige sagen, sie wollten keine Versuchskaninchen sein.

Naja, jedes Medikament, jeder Impfstoff, jedes Produkt, das wir anwenden, muss erprobt werden. Und es muss getestet werden, ob es sicher ist. Man würde sich ja auch nicht in ein Auto setzen, das nie getestet wurde. Jetzt geht es aber um etwas, das man am Mensch anwenden will – da kommt man irgendwann an den Punkt, an dem man es auch am Menschen ausprobieren muss. Das ist nicht zu umgehen und wird immer so bleiben und ist damit nichts Besonderes.

Besonders ist allerdings, dass es sich zum ersten Mal um einen genbasierten Impfstoff handelt. Was bedeutet das überhaupt?

Hier wird eine genetische Information, also ein Genabschnitt des Virus, geimpft – die sogenannte messenger RNA (Boten-RNA, d. Red.).

Kann das die Gene unseres Körpers beeinflussen?

Nein, aber das liegt an dem Wort Gen, dass die Menschen solche Ängste haben. Das ist ein Missverständnis. Wir bestehen alle aus Genen, das Wort allein sagt aber ganz wenig aus. Ohne Gene können wir nicht leben. Ein Virus ist nicht mal ein Lebewesen, sondern ein Mikroorganismus, der sich mithilfe seiner Gene nur in Lebewesen vermehren kann. Prinzipiell ist es kein Unterschied, ob wir bei einer Impfung einen Eiweißbestandteil eingeimpft bekommen oder einen Genabschnitt eines Virus. Der kann nicht von unserem Körper aufgenommen werden und ständig in unseren Zellen bleiben, das geht mit dieser Methode nicht.

Besteht die Gefahr, dass die Zellen das ganze Virus produzieren?

Nein. Um es etwas anschaulicher zu machen: Wenn Sie sich vorstellen, Sie wollen ein ganzes Haus bauen, dann brauchen Sie dafür einen Plan, den Sie den Bauarbeitern an die Hand geben können. Hier bekommen die Zellen – also die Bauarbeiter – auch einen Plan, aber nicht für das ganze Haus. Denn das ganze Virus wollen wir ja nicht. Der Plan ist – sagen wir nur für eine Mauer. Allein dadurch erkennt das Immunsystem aber schon: Hier soll ein fremdes Haus gebaut werden, dagegen müssen wir angehen, diese Mauer müssen wir abreißen. Hier ist kein vermehrungsfähiges Virus im Spiel, das kann auch gar nicht entstehen, sondern nur ein ganz bestimmter Bestandteil des Virus.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Diese Methode ist zum ersten Mal bei Menschen angewendet worden – man kann nur heranziehen, was man in der Studie beobachtet hat. Wir kennen bislang nur die Pressemitteilung. Und die sagt, dass bisher keine schweren, keine relevanten Nebenwirkungen aufgetreten sind. Das ist, was wir wissen. Aber 40.000 Testungen, das ist eine riesige Zahl. Es gibt viele Impfungen, die auch mit deutlich weniger Probanden zugelassen worden sind. Klar, wenn eine Nebenwirkung bei 1 zu 1 Million auftritt, dann hat man keine Sicherheit, die vorher erkannt zu haben. Aber irgendwo muss man eine Grenze ziehen.

Wie werden mögliche Langzeitfolgen ausgeschlossen?

Das gilt für jedes Medikament, für jeden Impfstoff: Langzeitfolgen sind eben erst langzeitig zu erfassen. Wissen kann man es erst, wenn man tausende, Millionen Menschen geimpft und über längere Zeit beobachtet hat. Aber das sind alles Spekulationen, es gibt ja überhaupt keine Hinweise, dass so etwas passiert.

Können durch den Impfstoff Krankheiten ausgelöst werden?

Die Impfstoffe, die wir heute haben, sind so gut, dass sie in nahezu allen Fällen genau das erzeugen, was man will: Nämlich, dass sich das Immunsystem nur gegen diesen bestimmten Eindringling wehrt, und nicht gegen etwas anderes im Körper. Was in sehr, sehr seltenen Fällen erfolgen kann: Dass das Immunsystem eigene Zellen des Körpers als fremd erkennt. Wenn das passiert, können Krankheiten ausgelöst werden und das kann gefährlich sein. Aber das ist extrem selten. Und das ist auch bei diesem Impfstoff nicht zu erwarten.

Der Impfstoff soll eine Wirksamkeit von 90 Prozent haben. Ist das genug?

90 Prozent ist enorm hoch. Beim Masernimpfstoff hat man über 95 Prozent Wirksamkeit, beim Grippe-Impfstoff hat man 50 bis 60 Prozent. Bei 90 Prozent wird es natürlich immer welche geben, die nicht darauf ansprechen, aber das ist am Ende auch nicht so schlimm – denn dann wird man einen großen Teil der Bevölkerung immunisieren können. Und dadurch wird auch die Gefahr für die 10 Prozent immer kleiner.

Was passiert, wenn das Virus mutiert? Ist der Impfstoff dann plötzlich hinfällig?

Das ist etwas, das passieren kann. Bislang haben wir aber keinen Hinweis, dass das Virus so stark mutiert, dass es eine Rolle spielt. Aber klar, das muss man weiter beobachten.


„Das Wort Gen macht Angst“

 

Quelle: Westfalenpost vom 13.11.2020